Altstadt Vienna: Kein Hotel für eine Nacht

Blick in ein von Matteo Thun gestaltetes Hotelzimmer

Gleich acht Zimmer im Altstadt Vienna wurden von Matteo Thun gestaltet. Er hat sich beim Design auf eine Zeitreise ins frühe 20. Jahrhundert begeben.

Architekturfans MÜSSEN dieses Hotel mehrmals besuchen. Denn schließlich kann man immer nur in einem Zimmer schlafen. Zum Beispiel in dem von Matteo Thun. Beim nächsten Hotelaufenthalt könnte man sich dann in das Atelierzimmer von Gabriel Kacerovsky einbuchen. Und beim dritten Mal in die Josef-Frank-Suite von Svenskt Tenn. Aber selbst nach drei Besuchen ist ein aufmerksamer Gast im Hotel Altstadt Vienna noch lange nicht damit fertig, all die Architektur- und Designdetails zu entdecken, die das Hotel so einzigartig machen. Gerade sind wieder vier neue Zimmer dazugekommen.

In rund 60 Zimmern auf fünf Etagen haben Gäste des Vier-Sterne-Boutiquehotels Altstadt Vienna mittlerweile die Gelegenheit, Kunst, Design und Architektur zu entdecken. In ganz Wien gibt es vermutlich nichts Vergleichbares: Das 1902 erbaute und nach und nach umgestaltete Wohnhaus im siebten Wiener Bezirk am Spittelberg ist genau so spannend wie ein Architektur- und Designmuseum (oder noch spannender – in einem Museum darf man schließlich nicht wohnen). Inhaber Otto E. Wiesenthal sammelt nicht nur Kunst, er „sammelt“ auch Design und Architektur. Immer wieder lädt er Architekten, Designer und Künstler dazu ein, ein oder mehrere Hotelzimmer zu gestalten.

Frei stehende Badewanne im Hotel Altstadt Vienna

Eine frei stehende Wanne gehört zur Suite, die Matteo Thun gestaltet hat.

Vorgaben gibt es kaum – einzig das Wiener Lebensgefühl muss in dem Zimmer spürbar werden. 2006 hat der Südtiroler Stararchitekt und Designer Matteo Thun dies kreativ umgesetzt. Acht Zimmer und eine Suite hat er im Stil des frühen 20. Jahrhundert gestaltet. Parkett aus gebeizter Eiche, pompöse Kronleuchter, Tapeten mit Damastmuster und rotes Samtmobiliar spiegeln den damaligen Zeitgeist wider. Einige Möbel wie zum Beispiel der Schreibtisch wurden von der österreichischen Möbelwerkstätte Wittmann nach Zeichnungen von Matteo Thun entworfen. Mit großformatigen Aktfotografien wird an Josefine Mutzenbacher, Wiens berühmteste Dirne, erinnert. In das schwarze Wandmosaik eingearbeitete Swarovski-Steine verleihen den Badezimmern das gewisse Etwas.

Hotelzimmer gestaltet von Polka

Im Hotelzimmer des Wiener Designduos POLKA dominieren elegante Hell-Dunkel-Kontraste.

Ganz andere Ansätze verfolgen dagegen die beiden Zimmer des Wiener Designduos POLKA: eines elegant im Hell-Dunkel-Kontrast, das andere mit vielen Anspielungen zum Thema „Naschen“. Von Retrochic hat sich wiederum Modedesignerin Lena Hoschek bei der Gestaltung einer Suite inspirieren lassen, von orientalischen Elementen der Modedesigner Atil Kutoglu. Auch ein Architektenteam rund um Gabriel Kacerovsky sowie Starstylist Andi Lackner haben sich im Altstadt Vienna ausgetobt, ebenso die Innenarchitekten von Svenskt Tenn. Diese haben eine Suite dem Andenken an den Designpionier Josef Frank gewidmet. Mutige Muster und mutige Möbel mischen sich zu einer fröhlichen Atmosphäre.

Die vier aktuellen Neuzugänge sind Zimmer von Lilli Hollein, Gregor Eichinger, Adolf Krischanitz und Roland Nemetz. Natürlich hat auch von ihnen jeder ganz eigene Akzente gesetzt. Selbst entworfene Teppiche und Einzelstücke wie Stühle und Bänke sorgen für eine persönliche Note. Bei der Einrichtung griffen die Architektur- und Designexperten auch auf Möbel und Accessoires aus Wiener Manufakturen, Fundstücke von Antiquitätenmärkten der Stadt und Bilder von Wiener Künstlern und Fotografen zurück.

Hotelzimmer gestaltet von Agil Kutoglu

Modedesigner Agil Kutoglu hat sich von orientalischen Einflüssen inspirieren lassen.

Zeitlose Eleganz versprüht das Zimmer 64, das Adolf Krischanitz gestaltet hat. Praktische Schränke, ein hohes Maß an Funktionalität und bequeme Sitzmöbel sind für den in Schwarzach im Pongau geborenen Möbeldesigner und Architekten essenziell. Ein künstlerisches Highlight ist die Wandgestaltung. „Ein junger Künstler hat eine Blumenwiese gezeichnet und dieses Kunstwerk in eine Tapete übersetzt. Dafür wurde es um ein Vielfaches vergrößert. Gegenüber liegt die Holzwand aus Ast-Eiche, die im Gegensatz zu der künstlerischen Auffassung der Blumenwiese ein echtes Naturprodukt ist. So entsteht eine zweifache Definition von Natur“, erklärt Adolf Krischanitz. Einen interessanten Einblick in das Zimmer und in die Gestaltungsideen liefert der „Hotel Talk“ zu diesem Zimmer auf Youtube.

Die Atmosphäre eines Theatersaals erlebt der Gast im Zimmer 65, gestaltet von Roland Nemetz. Auch dieses ist in einem Hotel-Talk-Video in allen Einzelheiten zu sehen. Dunkle Holzelemente, Grautöne und Akzente in Rot dominieren die Farbgebung. „Einer der ersten Schritte war, über das Zimmer an sich und dessen Charakter nachzudenken. Als wir entdeckten, dass das Zimmer über den Nebenräumen des Off-Theaters liegt, war uns klar, was entstehen würde: eine Theater-Suite“, erzählt der österreichische Architekt. Dabei ist fast jedes Stück aus Wien – eine Melange aus traditionellen Möbeln der Nachkriegs-Moderne, die Nemetz bewusst aber auch zufällig gefunden hat. So stammen der Kleeblatttisch von einem Antiquitätenhändler, das Parkett aus der Wiener Stadthalle und die Lehnstühle und die Bank, die zuvor im Café Ritter waren, von dem Architekten Roland Rainer. Rote schwere Vorhänge und Leuchten eines Schminktischs betonen die Theater-Komponente, und Bilder von bekannten Schauspielern aus Wien geben den letzten Schliff.

Hotelzimmer gestaltet von Lena Hoschek

Retrochic ist das Motto im Hotelzimmer von Lena Hoschek.

Der perfekte Wohnraum für Cineasten ist das Zimmer des Architekten Gregor Eichinger, Zimmernummer 66. Vom Bett aus blicken Gäste wie in Hitchcocks Film „Fenster zum Hof“ durch das große Fenster in die Stadt hinaus und sind so stets mit Wien verbunden. Auf einer Leinwand können Eichingers Lieblingsfilme angesehen werden. Seine Gedanken zur Zimmergestaltung erklärt Gregor Eichinger ebenfalls in einem „Hotel Talk“, aufgenommen im entsprechenden Hotelzimmer.

Und wieder ganz anders ist Zimmer 67: Bei ihrem ersten Interior-Design-Projekt legte Lilli Hollein Wert darauf, die österreichische Design-Szene in den Mittelpunkt zu stellen und gleichzeitig ihre persönliche Note in den Raum zu bringen. Mit ihrem Mann Markus Eiblmayr entschied sich die Direktorin der Vienna Design Week für eine graue Wolkentapete von Cole and Son. „Vielleicht hat es etwas zutiefst Wienerisches einen grauen Wolkenhimmel als Thema zu wählen. Böse Zungen behaupten in Wien ist es zehn Monate lang Winter und zwei Monate lang kalt. Hier ist der Gast stets der sonnige Protagonist und bringt immer etwas Positives mit“, erklärt Lilli Hollein. Den Kontrast dazu bildet ein bunter, eigens für das Altstadt Vienna entworfener Teppich. Durch Elemente wie beispielsweise Stehleuchten von der Werkstätte Carl Auböck, Fliesen von Karak und Stühlen von Marco Dessi wird das Zimmer eine Bühne für österreichische Design- und Handwerkskunst. Auch hierzu gibt es ein Youtube-Video.

Blick in Hotelzimmer in Gelb und Blau gehalten

Eine Suite, die an Designpionier Josef Frank erinnert, haben die Innenarchitekten von Sventskt Tenn entworfen.

Dass die Zimmergestaltung durch bekannte Architekten und Designer kein Marketingtrick ist, sondern jeder Raum wirklich die Handschrift seines „Schöpfers“ trägt, bestätig Roland Nemetz: „Otto Wiesenthal ist ein sehr angenehmer Auftraggeber, wie es nur wenige gibt. Wenn man ihn fragt, ob man das so machen darf, sagt er: Du bist der Architekt, du musst das entscheiden.“ Es ist also tatsächlich so: Will man einem bestimmten Architekten sehr nahe kommen, dann reserviert man am besten gleich das von ihm gestaltete Zimmer im Altstadt Vienna. Die Übernachtungspreise starten bei 94 Euro für ein Einzelzimmer, wer mag, kann aber auch mehrere hundert Euro für eine Suite ausgeben. Welches Zimmer für den Erstbesuch das richtige ist, dazu berät das Team vom Altstadt Vienna gerne.

Urbanes Flair für einen Vierseithof im Bayerischen Wald

Blick in das Ferienapartment Moosham 13

Weiß, Schwarz und rohes Holz bilden den Rahmen für die modernen Ferienwohnungen. Foto: Bernd Vordermeier

Man nehme ein Gebäude mit Geschichte und Charme. Hauche ihm neues Leben ein, ohne dabei seinen Charakter zu zerstören. Und stelle moderne Architektur gleichberechtigt daneben, um nicht nur der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart (und sogar der Zukunft) Raum zu gewähren.

Das ist für mich das Rezept für spannende Architektur. Wenn es irgendwo ein altes Haus zu sehen gibt, das mit architektonischem Feingefühl und Kreativität saniert und neugestaltet wurde, dann bin ich auf jeden Fall zur Stelle. Kein Weg ist da zu weit – auch der nicht nach Moosham bei Grafenau. Bei den Architektouren konnte dort nämlich ein renovierter und umgebauter Vierseithof besichtigt werden. Name des Projekts: „Moosham 13“.

In siebter Generation auf dem Hof

Nordfassade des Projekts Moosham 13

Moderne Fassade neben traditioneller Fassade: Die klaren Formen teilen beide. Foto: Bernd Vordermeier

„Neue Strukturen für die nächste Generation“, so haben Architekt Bernd Vordermeier und die Bauherren Verena Windorfer-Bogner und Reinhold Windorfer ihr Projekt im Booklet der Architektouren 2017 beschrieben. Und tatsächlich führen die beiden den Vierseithof mit Wohnhaus, Stall- und Nebengebäuden sowie einem denkmalgeschützten Brotbackofen bereits in siebter Generation. Da gibt es viel, was zu erhalten ist. Und ebenso vieles, was einer zeitgemäßen Nutzung angepasst werden muss. Im Fall des um 1840 erbauten Wohnhauses haben sich die Bauherren entschieden, durch eine Sanierung verschiedenste Zwecke zu vereinen: Fünf separate Einheiten jetzt bieten Platz für die Wohnung der Bauherren, den Wohnbereich der Eltern, zwei Gästeapartments sowie ein Büro.

Zwei ganz besonders Ferienapartments

Innenraum des Ferienapartments Moosham 13 bei Grafenau

In dem hellen, wohnlichen Apartment befindet sich unter anderem das Bad in einer in die Raummitte gesetzen Box. Foto: Bernd Vordermeier

Bäuerlicher, traditioneller Charakter und moderner reduzierter Architekturstil verbinden sich dabei zu einem wunderschönen, durchdachten und wohnlichen Zuhause – dauerhaft für die Familie Windorfer, auf Zeit für die Urlauber in den Ferienapartments. So schön wohnt man im Bayerischen Wald sicherlich nur in sehr wenigen Ferienunterkünften. Seit 1. Juli 2017 sind die Apartements von „Moosham 13“ zu mieten. Und wenn es nicht ziemlich unsinnig wäre, sich als Passauer eine Ferienwohnung in Grafenau zu nehmen, hätte ich am liebsten sofort nach einem freien Termin gefragt.

Spannende Architektur versprechen die Apartments schon von außen. Da streckt sich neben der traditionellen Hausfassade eine schmale, weiße Front nach oben. Zwei große hochformatige Fensteröffnungen wirken mit ihrem schmalen Rahmen wie aufgesetzt, die Holzhaustür clean und robust, ebenso wie die Treppe aus schwarzem Stahl. Drinnen setzt sich der einerseits natürlich-bodenständige, andererseits geradlinige und minimalistische Look fort. Die Apartments bestechen durch reduzierte Optik: die Wände und Decken weiß; Böden, Türen und Verkleidungen aus rohem Holz; dazu schwarze Einbauten. Die Bäder sind als Boxen im Raum gestaltet, unterteilen so die Wohnbereiche und stehlen dabei aber nicht den alten Gemäuern, sichtbar beispielsweise an manchen tiefen Fensteröffnungen, die Schau. Da steckt architektonischer Einfallsreichtum drin, Feingefühl für Wohnatmosphäre – und viel, viel Leidenschaft und Begeisterung für die Räume. Man spürt, dass Architekt Bernd Vordermeier und die Bauherren diese Begeisterung teilen.

Holzdielen aus dem eigenen Wald

Treppenhaus des Projekts Moosham 13 bei Grafenau

Das Treppenhaus alleine ist schon ein Kunstwerk und verbindet nicht nur symbolisch Alt und Neu. Foto: Bernd Vordermeier

So sind beispielsweise die Holzböden echte Handarbeit. Aus dem eigenen Wald stammt das Holz, das die Bauherren selbst mit semi-professioneller Ausrüstung zu Dielenbrettern und schließlich Böden ihrer Ferienapartments verarbeitet haben. Und unbehandelt gelassen haben. Die Haptik ist einmalig – und der Geruch nach frischem Holz ebenfalls.

Eine moderne und dennoch schlichte Holztreppe führt von den beiden Etagen mit den Ferienwohnungen bis hinauf ins Dachgeschoss. Dort, direkt unterm Giebel, luftig und hell, liegt die Wohnung der Bauherren. Sicherlich nicht das, was man sich unter einem traditionellen Zuhause auf dem Bauernhof vorstellt – eher mit urbanem Flair, aber gleichzeitig mit der bodenständigen Atmosphäre des gesamten Projekts. Und mit angenehmem Wohnklima: Dafür sorgen beispielsweise die mit Scheitholz befeuerte Temperierheizung, Naturkalkputze und ökologische Baustoffe.

So flexibel wie schön – das Konzept der Apartments

Küche der Ferienwohnung Moosham 13

Die Ferienwohnung besitzt eine Küche, die Suite nicht. Gemütlich ist es aber in beiden.

Höchsten Ansprüchen an Architektur und Wohnlichkeit werden die Apartments auf jeden Fall gerecht – und darüber hinaus auch vielfältigen Ansprüchen an die Nutzung. Eine Person, zwei Personen, drei, vier oder ein ganzer Freundeskreis, vielleicht zwei befreundete Familien? Weil sich die beiden Einheiten clever kombinieren lassen, sind alle gut untergebracht in Moosham 13. Während die Ferienwohnung eine Küche besitzt, haben die Bauherren in der zweiten Einheit darauf verzichtet. „Suite“ nennen sie das Apartment ohne Küche, das für alle diejenigen praktisch ist, die nur kurz (oder vielleicht geschäftlich) im Bayerischen Wald unterwegs sind und denen Kühlschrank und Kaffeemaschine reichen. Die Betten lassen sich in beiden Apartments leicht vom Doppelbett zu zwei Einzelbetten verwandeln. Und die Couch ist jeweils auch als Schlafcouch nutzbar. „Für Familien, die gerne mehr Platz zur Verfügung hätten, oder Gruppen von Freunden bietet sich eine gemeinsame Buchung von Ferienwohnung und Suite an, hier hat man dann – nur durch das Treppenhaus getrennt – 80 Quadratemter zur Verfügung. Dann kann beispielsweise die Ferienwohnung als Aufenthaltsbereich genutzt werden und die Suite als Schlafbereich“, erklärt Verena Windorfer-Bogner das flexible Nutzungskonzept. Eine Gruppe von bis zu neun Personen kann so in Moosham 13 unterkommen.

Das wäre also ideal für einen Bayerwald-Urlaub mit meinen Schwestern und ihren Familien. Also ich glaube, ich finde schon noch einen Grund, mich in Moosham 13 einzumieten…

 

 

Altes und Neues harmoniert am Inn

Passau Innpromenade

Zwei Projekte der Architektouren 2017 liegen an der Passauer Innpromenade – und könnten unterschiedlicher kaum sein. Foto: Hendrik Schwartz

Als 2013 die Altstadt von Passau in den Fluten von Inn und Donau unterging, wurde so manches Gebäude zerstört. Aus menschlicher Sicht eine Katastrophe, aus architektonischer Sicht aber oftmals auch eine Chance. Bei den Architektouren 2017 der Bayerischen Architektenkammer am letzten Juni-Wochenende konnten in Passau zwei Projekte besichtigt werden, die es ohne das Hochwasser so nicht gegeben hätte. Ansonsten könnten die Projekte unterschiedlicher nicht sein: eines setzt auf Sanierung und alte Vorbilder, das andere auf Modernes, das sich vom Dagewesenen abhebt und dennoch harmoniert.

Unumstritten: Charmante Cafébar hinter alten Mauern

Innenraum Café Il Nostro in Passau

Ein schmaler Raum, an dessen rechter Wand sich eine Holzbank entlangschlängelt: das Café Il Nostro. Foto: Hendrik Schwartz

Es ist „wenig dran“ an diesem Gebäude am Innbrückbogen: etwa 30 Zentimeter dickes Mauerwerk auf der Innseite mit kleinen, doppelten Flügelfenstern; und nochmal rund 30 Zentimeter Mauerwerk zur Straße hin, unterbrochen von Türen und Fenstertüren. Drinnen ein schmaler Raum, der sich hin zum Innbrücktor schlängelt. Im wahrsten Sinne des Wortes: Gerade Wände und einen rechtwinkligen Grundriss findet man hier nicht. Dafür eine elegante durchgängige Sitzbank aus Holz, die dem geschwungenen Wandverlauf folgt. Dazu schlichte Tische – fertig ist der Gastraum, der durch die Kastenfenster hin zu Inn und die Türen zur Straße erstaunlich hell wirkt. Theke und Küche drängen sich an eine Schmalseite, an der anderern wendelt sich eine moderne Stahltreppe nach oben zu den Toiletten. Und zu einer kleinen Wohnung, dessen schnörkellose und durchdachte Einrichtung man auf der Internetseite des Architekturbüros Andreas Schmöller sehen kann.

Fassade Café Il Nostro

Die rechteckigen Vertiefungen über den Türbögen gehören zur historischen Ansicht der Fassade. Sie sind aber nicht alle wirklich vorhanden. Foto: Hendrik Schwartz

So klein und unkompliziert das Café von innen erscheint, so groß und spannungsreich ist die Historie des Gebäudes, das direkt am Brückenkopf der alten Innbrücke liegt. Einige Passauer erinnern sich sicherlich auch noch an die Zeiten, als in dem schmalen Gebäude gleich mehrere winzige Geschäfte, darunter ein Uhrmacher, untergebracht waren. Wie klein die Läden waren, erkennt man an den Fenstertüren des Cafés – sie ersetzen die früheren Ladentüren. Widerstandsfähiges Eichenholz und Einbauten, die sich schnell entfernen lassen, sollen einem möglichen künftigen Hochwasser trotzen. Denn eine so umfassende Renovierung, wie sie nach 2013 notwendig war, als der Unterbau des Gebäudes unterspült war, möchte man dem Gebäude nicht noch einmal zumuten. Und schließlich ist es nun auch wieder in einem Zustand, der auch dem Denkmalschutz zusagt – wenn auch mit Tricksereien: Um die sowieso schon dünnen Mauern nicht noch weiter zu verschlanken, hat man beispielsweise die fehlenden Vertiefungen über den Türbögen nicht nachgeformt, sondern als Illusionsmalerei aufgebracht. Wer nicht darauf hingewiesen wird, dem fällt das auch nicht auf. Auf den ersten Blick ist bei dem Café am Innbrückbogen alles so, wie es in alten Zeiten war. Nur viel schöner – wie es für dieses privilegierte Plätzchen in Passau angebracht ist.

Umstritten: Altstadt-Kindergarten auf Stelzen

Blick auf die Innseite der Altstadt Passaus

Wer nicht weiß, wo sich der Neubau des Altstadt-Kindergartens befindet, dem wird das moderne Gebäude kaum auffallen. Das Stadtbild stört der Bau jedenfalls nicht. Foto: Hendrik Schwartz

Nur wenige hundert Meter weiter befindet sich ein ebenso privilegierter Platz zum Wohnen und Leben. Hier genießen seit Jahrzehnten die kleinsten Altstadtbewohner Ausblick und Lage. Doch gegen das Hochwasser 2013 hatte das Gebäude des Altstadt-Kindergartens St. Stephan keine Chance: Der Siebziger-Jahre-Bau musste abgerissen werden. Doch was dann? Möglichkeit Nummer 1: Neubau im Stil des alten Kindergartens. Wäre dann aber genauso hochwassergefährdet – und so schön war der Siebziger-Jahre-Bau auch nicht, dass man ihn sich zurückwünschen würde. Möglichkeit Nummer 2: etwas Neues hinbauen. Die Fehler des Vorgängerbaus vermeiden (besserer Hochwasserschutz) und auch optisch was Neues bieten. Möglichkeit Nummer 3: gar nichts hinbauen – dann würde die Altstadtkulisse besser wirken können. Diese dritte Alternative kam allerdings für den Architekten Walter Schwetz, das Kindergartenpersonal und die Bauherren nicht in Frage. Man habe überlegt, wem die Stadt, wem dieser Platz gehöre. Und sei zu dem Ergebnis gekommen: Natürlich haben auch die Kinder Anrecht auf ihren Raum in einer Stadt. Und auf gute Architektur sowieso. Wer den Kindergarten besichtigt, wird bestätigen können, dass für die Kleinen ein großartiges Umfeld geschaffen wurde: helle Räume mit viel Holz, große Fensteröffnungen, wunderbare Ausblicke auf den Inn und auf Mariahilf, praktische Infrastruktur und hochwertiges Design.

Was von innen überzeugt, ist von außen immer noch einiger Kritik ausgesetzt. Um künftig Hochwasserschäden zu vermeiden, steht der Kindergarten-Bau auf Stelzen. Natürlich verdeckt er so etwas mehr Fassadenfläche des dahinterliegenden historischen Stadtbildes als zuvor. Doch gegen das riesige Kirchengebäude von St. Michael wirkt der Kindergarten immer noch winzig. Die Kindergartenkinder profitieren von dem Stelzenbau: Zu ihrem Garten haben sie so eine überdachte Freifläche dazugewonnen – mehr Platz zum Spielen und Toben, und das selbst, wenn das Wetter mal nicht ganz mitmacht. Die Fassade aus vorvergrautem Tannenholz ist ebenfalls Anlass für Kritik: zu modern, nicht kompatibel mit den historischen Bauten. Glücklicherweise hat sich der Entwurf von Architekt Walter Schwetz aber durchgesetzt: Wer heute von der Innstadt auf die Bebauung entlang der Innpromenade schaut, dem wird der Kindergarten nicht negativ auffallen. Die Holzfassade hält sich dezent zurück, wirkt bei genauerem Hinsehen trotzdem modern, ohne sich aufzudrängen. Und die Kinder genießen die beste Architektur, die sie an dieser Stelle bekommen konnten. Dafür müssen sie das architektonische Konzept nicht verstehen – in ausgezeichneter Architektur fühlt man sich wohl, ohne darüber nachdenken zu müssen.