Meine Eltern leben in einem Zweifamilienhaus aus den 1970er Jahren. Ich bin also aufgewachsen mit den typischen Elementen dieses Baustils: einem langen, dunklen Flur, von dem alle Zimmer abgehen. Und einem abgetrennten Treppenhaus, das die zwei abgeschlossenen Wohnungen verband und vom Keller bis in den ersten Stock reichte. Dazu kam, dass meine Familie aus Platzgründen die drei insgesamt Kinderzimmer auf Erdgeschoss und Obergeschoss verteilt hatte. Wenn morgens in meinem Kinderzimmer im Erdgeschoss der Wecker klingelte, musste ich daher die Erdgeschoss-Wohnung verlassen, mich im kalten, unwohnlichen Treppenhaus die Marmorstufen hochschleppen, damit ich in der Küche im Obergeschoss frühstücken konnte. Noch heute finde ich es deshalb ungemütlich, wenn die Schlafräume durch ein abgeschlossenes und womöglich unbeheiztes Treppenhaus von den Wohnräumen getrennt sind. Ich wollte es anders haben – auch wenn viele gewarnt haben: „Das kannst du doch nicht machen!“
Warum ist bei uns alles offen?
Für mein eigenes Haus habe ich mir immer gewünscht, alle Flächen wohnlich und warm zu gestalten. Jeder Quadrat muss Aufenthaltsqualität bieten – reine Nutzflächen brauche ich nicht. Von Anfang an wollte ich auf Keller, abgeschlossene Treppenhäuser und Flure verzichten. Mit Erfolg: Die Treppe zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss beginnt im offenen Wohnraum – dieser Eindruck wird durch ein Podest noch verstärkt. Die Treppe endet dann dort, wo ein Flur zu erwarten wäre – im Haus Polz handelt es sich aber dabei um eine großzügige Fläche, die auch als Spielfläche oder Sitzfläche nutzbar ist. Übrigens wird sogar die Treppe oft als Wohnfläche genutzt: Wenn wir Besuch mit kleinen Kindern haben, setzen sich diese gerne auf das Podest oder die erste Treppenstufe statt auf einen Sessel. Ich vermute, es hat auch damit zu tun, das man von dort einen großartigen Blick über den ganzen Wohnraum und hinaus in den Hanggarten hat.
Welche Auswirkungen haben offene Wohnräume und Treppenhäuser auf die Baukosten?
Pauschal kann man das vermutlich nicht sagen – da ich nie eine andere Lösung in Betracht gezogen habe, gibt es auch keine Kostenvoranschläge für alternative Planungen. Zwei Punkte halte ich aber für überlegenswert: das Thema Heizung und Dämmung sowie den Flächenverbrauch.
Eine offene Treppe vom Erdgeschoss in den unbeheizten Keller ist zum Beispiel ohne Dämmung problematisch. Wie sich eine Dämmung auf ein ungeheiztes Treppenhaus auswirkt, erklärt gut verständlich der Architekt Reinhard Maria Schneeweiß auf seinem Blog. Ich war in der komfortablen Situation, mich mit dieser Frage nicht beschäftigen zu müssen – schließlich umfasst mein Haus nur geheizte Bereiche. Aber wer anders plant, sollte sich gut beraten lassen.
Je nachdem, ob die Treppe gerade, gewendet, mit Podest oder ganz besonders gestaltet ist, benötigt die Treppe viel oder wenig Platz. Der Platzbedarf von Spindeltreppen mitten im Wohnraum ist fast schon vernachlässigbar, während geradläufige Treppen mehr Raum einnehmen. Wer auf Baukosten und Quadratmeterpreise achten muss, sollte hier verschiedene Varianten vergleichen.
Was man sich durch einen offenen Wohnraum und ein offenes Treppenhaus natürlich spart, sind die Kosten für Innenwände und Türen. Dieser finanzielle Vorteil schwindet jedoch, wenn bei offener Bauweise manche Bauteile aufwendiger gefertigt werden müssen – zum Beispiel, weil bei Treppen die Unterseiten zu sehen sind und ansprechend gestaltet werden müssen.
Es gibt natürlich auch viele verschiedene Arten, offene Bauweisen umzusetzen, und jede hat ihre Kostenpunkte und Einsparungen. Ob man – wie ich – die offene Treppe nur dadurch definiert, dass sie mitten im Wohnraum beginnt und die Etagen nicht durch Türen trennt, oder ob man darunter eine sich im Raum aufschwingende, quasi skulpturale Treppe versteht, wirkt sich unterschiedlich stark auf die Kosten aus.
Und wie sieht es aus architektonischer Sicht aus?
Wer offene Wohnräume zulässt, ermöglicht dem Architekten natürlich eine andere Herangehensweise – man denke nur mal an die vielfältigen Blickachsen, die möglich sind, wenn es in einem Haus nur wenige Wände gibt. Manche Gestaltungsideen sind nur umsetzbar, wenn möglichst offen geplant wird – beispielsweise Galerien und Wohnräume, die über zwei Geschosse reichen. Viel Licht, ein weitläufiges Wohngefühl und eine großzügige Atmosphäre zählen zu den Vorteilen einer offenen Bauweise.
Welche Alternativen gibt es?
Wenn Räume fließend ineinander übergehen sollen, man sich aber nicht für alle Zeiten auf eine offene Raumgestaltung festlegen möchte, sind Schiebetüren, die in der Wand verschwinden, eine großartige Lösung. Ich habe zwischen Wohnraum und Arbeitszimmer eine Schiebetür, die fast nie zu sehen ist. Ich persönlich liebe nämlich den Blick vom Wohnraum in das Arbeitszimmer sehr. Allerdings gibt es auch Situationen, in denen eine Trennung vorteilhaft ist: Ist Besuch mit Kleinkindern angesagt, verschwinden zerbrechliche Sachen und die Bürotechnik mit ihren verführerischen Knöpfen und Schaltern sicher hinter der Schiebetür im Arbeitszimmer.
Entscheidungshilfen
Apropos Kinder: Ein entscheidende Frage bei der offenen Gestaltung von Wohnräumen und Treppen lautet: Wer wird das Haus bewohnen? Gibt es kleine Kinder, die vielleicht nur dann gut schlafen, wenn die Geräusche vom Fernseher im Wohnzimmer nicht ungehindert bis zur Kinderzimmertür dringen? Wäre es nicht gut, den zweifelhaften Musikgeschmack der Teenagersöhne und -töchter ausblenden zu können, indem man einfach eine Tür zwischen Wohnetage und Schlafetage schließt? Ist der Arbeitsplatz auf der offenen Galerie immer noch so einladend, wenn in den Ferien die Kinder daheim sind und von der Arbeit ablenken? Wie viel Ruhe jeder braucht, ist sehr individuell und kann auch in verschiedenen Lebensabschnitten sehr unterschiedlich sein.
Hier sollte jeder schon in der Planungsphase ehrlich zu sich selbst sein und seine Wünsche definieren. Ich wollte zum Beispiel einen Bereich keinesfalls mit in den offenen Wohnraum integrieren: die Küche. Obwohl man das oft sieht und viele eine offene Küche gemütlich finden, fand ich diese Gedanken unerträglich: Essensgerüche, die sich frei entfalten, und der unvermeidbare Anblick dreckigen Geschirrs und vollgestellter Arbeitsflächen. Dafür konnte ich mir immer gut vorstellen, den Fernseher aus dem Wohnzimmer zu verbannen und somit den offenen Wohnraum frei von TV-Geräuschen zu halten. Aber darüber habe ich ja bereits in Teil 4 geschrieben.
Hier geht es zu den weiteren Teilen der Serie „Das kannst du doch nicht machen!“: